Impotenz nach Prostatakrebs – Interview
Zusammenfassung: Krebs kostete einen Patienten seine Prostata – und daraufhin auch seine sexuelle Aktivität. Wie er seine Libido zurückerlangen konnte, warum die erektile Dysfunktion noch immer so ein Tabu-Thema ist und warum das Sprechen darüber enorm hilft, verrät er im Interview.
Inhaltsverzeichnis
Impotenz durch Prostatakrebs
Der häufigste bösartige Tumor und die dritthäufigste durch Krebs bedingte Todesursache bei Männern: Mehrere Zehntausend Prostatakarzinom-Neuerkrankungen werden jährlich in Deutschland registriert, im Jahr 2012 waren es rund 68.000. Zum Glück ist die Prognose bei Prostatakrebs heute gut, auch weil viele Karzinome dank Früherkennung schon in einem Anfangsstadium diagnostiziert werden. Doch manchmal ist die Entfernung der Prostata notwendig. So war es auch bei unserem Interviewpartner. Er war an einem Prostatakarzinom erkrankt, das erfolgreich behandelt werden konnte. Doch dann setzte eine ganz andere Leidensgeschichte ein: Impotenz nach Prostatakrebs. Die erektile Dysfunktion ist noch immer ein Tabuthema, erklärt unser Interviewpartner.
Gespräche mit anderen machen Mut
Der heute 65-Jährige stellte zum ersten Mal mit 53 Jahren fest, dass er eine Potenzstörung hat. Ursache für die Störung war eine Prostatakrebs-Operation. Im Vorfeld einer Operation an der Prostata kann nicht vorhergesagt werden, ob es später zu Schwierigkeiten kommt. Er wartete 1,5 bis 2 Jahre in der Hoffnung, dass es besser wird – ohne Erfolg. Mit einem Schwellkörper-Implantat kam schließlich die Erlösung. Die daumengroße Pumpe sitzt im Hodensack, lässt sich ertasten, ist optisch aber nicht erkennbar.
Doch der Weg dahin war lang – auch weil über Impotenz zu wenig gesprochen wird. Das möchte er ändern und stand uns daher Rede und Antwort:.
Interview mit einem Betroffenen
Der Weg von der Erkenntnis, dass ein Problem besteht bis zum Zeitpunkt, an dem Sie sich jemandem anvertraut und Hilfe erbeten haben, war ja sicherlich kein leichter. Wussten Sie bereits von Anfang an, dass die Potenzstörung mit der vorhergehenden Krebserkrankung zusammenhängen könnte oder hatten Sie dies bereits geahnt?
Ja, die Störung ist zum ersten Mal nach der OP aufgetreten. Tatsächlich war die Diagnose Prostatakrebs ein Schock, aber nicht das Wort Krebs machte mir Sorgen – Angst würde ich es nicht nennen wollen, denn die Heilungschancen sind bei frühzeitiger Erkennung sehr gut. Es waren die Gedanken an eine mögliche Inkontinenz oder Impotenz. Diese möglichen Folgeerscheinungen waren mir bewusst.
Wussten Sie, an wen Sie sich wenden können? Was hat Sie letztendlich überzeugt, Hilfe zu erbitten?
Aufgrund meiner Krebserkrankung war ich sowieso weiterhin in Behandlung bei meinem Urologen, mit dem ich offen über das Thema sprechen konnte. Zudem hatte ich mich nach der Krebsdiagnose bereits ausgiebig informiert, alles was ich zum Thema in Büchern und im Internet gefunden habe, quasi verschlungen. Gespräche mit betroffenen Männern machten mir Mut. Dass ich mir mehrere Meinungen von Urologen einholte, war für mich wichtig. Hilfe zu erbitten war letztendlich unser gemeinsamer Wille, unser Sexleben unbedingt weiterhin zu genießen.
Hatten Sie die Möglichkeit, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen oder haben Sie diesen Gedanken überhaupt in Erwägung gezogen?
Wissen Sie, auch im Jahr 2020, in unserer relativ aufgeklärten Zeit, ist die erektile Dysfunktion leider immer noch ein echtes Tabu-Thema. Es gibt generell nur wenige betroffene Männer, die offen über ihre "Impotenz" sprechen. Das ist einer der Gründe dafür, warum ich auch ein Buch über meine Geschichte geschrieben habe. Und ich bekomme viel positive Rückmeldung von anderen Betroffenen darauf, denen ich wohl aus der Seele spreche.
Was raten Sie anderen Paaren in einer ähnlichen Situation?
Ganz wichtig ist aus meiner Sicht, offen mit seiner Partnerin oder seinem Partner über das Thema zu sprechen. Denn sie sind auch betroffen – wenn auch in anderer Form – und leiden ebenfalls unter der Situation.
Sie sagen, dass sich die körperlichen Gefühle bei Ihnen nicht verändert haben. Wurden Sie im Vorfeld darauf hingewiesen, dass dies passieren könnte? Wenn ja, was hat Sie dazu bewogen, dieses Risiko einzugehen?
Ja, ich wurde im Vorfeld darauf hingewiesen, dass das zunächst vorkommen kann, aber nicht ausführlich darüber informiert, weil nicht vorhergesagt werden kann, ob es tatsächlich zu Schwierigkeiten kommt. Zudem können die Einschränkungen zunächst auftreten, danach aber wieder abklingen. Deshalb ist es auch üblich, dass zunächst eineinhalb bis zwei Jahre gewartet wird, in der Hoffnung, dass es vielleicht besser wird. Mein Arzt hat mir vor dem Hintergrund meines Alters – ich war mit 53 Jahren noch relativ jung – zur Prostatektomie geraten. Aus seiner Sicht war das der einzig richtige Weg, den Krebs zu besiegen. Und darum ging es ja zunächst einmal.
Andere Patienten berichten von einem Unterschied. Können Sie etwas dazu sagen, wie dieser aussehen kann?
In der Tat sagen einige Männer, dass sich der Orgasmus nach Prostataentfernung verändert. Er sei nicht mehr so explosionsartig. Bei mir ist das allerdings nicht der Fall. Manifestiert sich eine erektile Dysfunktion, gibt es medikamentöse Hilfsmittel. Wenn diese nicht wirksam sind, gibt es die Möglichkeit, ein Implantat einzusetzen.
Vor dem Implantat-Eingriff haben Sie es mit PDE-5-Hemmern probiert. Das war nicht erfolgreich?
Bei mir haben die PDE-5-Hemmer wie Viagra keine Wirkung gezeigt, so entschied ich mich letztlich für ein Schwellkörper-Implantat.
Wie sieht so ein Eingriff aus und wie haben Sie ihn erlebt? Gab es Einschränkungen nach dem Einsetzen?
Der operative Eingriff zum Einsetzen eines Schwellkörperimplantates zieht einen fünftägigen Krankenhausaufenthalt nach sich. Die Operation war für mich nicht anders als jede andere Operation, die ich schon erlebt hatte. Die ersten Tage nach der Operation zwickte es ein bisschen, starke Schmerzen würde ich es nicht nennen. Nach einer Woche waren diese Beschwerden abgeklungen und ich musste nur die Heilungsphase von circa vier Wochen abwarten.
Und tatsächlich ist ja von dem Implantat äußerlich nichts zu sehen. Ich gehe in die Sauna, bin sportlich aktiv, fahre Fahrrad und Motorrad.
Wie haben Sie die Betreuung unmittelbar vor und vor allem nach dem Eingriff erlebt – auch auf menschlicher Ebene?
Ich ließ mir das Implantat in der Uniklinik Freiburg einsetzen. Es sind Spezialisten für Schwellkörper-Implantate, deshalb war sicherlich die Betreuung einfühlsam, aber auch routiniert. Vielleicht war es bei mir auch eine Kopfsache, weil ich ja unser gemeinsames Sexleben wiederherstellen wollte, so wie wir es auch vor meiner Erkrankung lebten.
Gab es eine Zeit, in der Sie fast aufgegeben hätten?
Nein, die gab es nie. Es gab frustrierende Zeiten, geprägt von Wut – und vor allem Ungeduld. Aber aufgeben wollte ich nie, auch nicht in Hinblick auf unsere gemeinsamen sexuellen Bedürfnisse.
Gibt es etwas, was Sie sich während Ihrer Krankheits-, Behandlungs- und Genesungsgeschichte bis heute anders gewünscht hätten – beispielsweise bessere Aufklärung?
Sicherlich müsste das natürliche Bedürfnis für die Sexualität auch im Alter von 50+ mehr im Bewusstsein aller Mediziner sein, nicht nur der spezialisierten Urologen. Und im Fokus müsste nicht nur die Sexualität des betroffenen Mannes stehen, sondern auch das Bedürfnis nach Sexualität seiner Frau oder Partnerin.
Wie hat ihre Partnerin die Zeit miterlebt?
Meine Partnerin war sehr lieb und hat mir sehr viel Verständnis und Geduld entgegengebracht. Wichtig war für mich, dass wir beide über unsere Bedürfnisse offen reden konnten.
Lesetipp: Wir empfehlen Ihnen den Beitrag wie Erektionsprobleme die Beziehung belasten.
Sie haben ein Buch über Ihre Erfahrungen geschrieben. Was hat Sie dazu bewegt?
Bis heute ist Impotenz immer noch ein Tabuthema. Ein Tabu, nicht nur aus Sicht der Betroffenen, sondern ein gesamtgesellschaftliches Tabu. Denn es ist ein Thema, über das man einfach nicht reden will. Viele können nicht darüber sprechen, schämen sich, und ihnen ist das Thema peinlich. Das hat bei mir in den zwei Jahren nach der Krebserkrankung auch jede Menge Frust erzeugt, den ich mir mit dem Buch* von der Seele geschrieben habe. Zudem möchte ich mit meiner Geschichte anderen Betroffenen Mut machen. Denn ihr Leidensdruck ist hoch. Aber auch ihre Partnerinnen leiden mit. Das thematisiere ich in meinem Buch ebenfalls.
Wie geht es Ihnen heute?
Wunderbar. Wir leben in einer glücklichen Beziehung. Meine Krebserkrankung liegt jetzt zwölf Jahre zurück. Ich würde sagen, wir haben ein glückliches und ausgefülltes Liebesleben.
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